Der Beginn
Alles begann 1964 mit zwei Kisten Eiern auf dem Wochenmarkt in Kray. Ilse Längert wollte, von schwerer Krankheit genesen, für sich und ihren Mann Herbert, der als Elektriker viel auf Montage war und ihre kleine Tochter Barbara einen Neubeginn. „Wir machen uns als Markthändler selbstständig.“
Gesagt, getan. Ilse beobachtete genau den Wochenmarkt am Wohnort in Kray und beschloss, dort mit Eiern zu handeln. Ohne viel Ahnung von der Materie, aber mit viel Mut gründete sie mit ihrem Mann ihr kleines Unternehmen. Mit einem VW Käfer fuhren sie auf den Eiermarkt nach Oldenburg, erstanden dort zwei Kisten Eier, à 360 Stück und wollten diese an ihrem Stand auf dem Krayer Markt verkaufen. Zum Vergnügen der Bauern und Händler ringsherum hatten sie nur kleine Eier im Angebot, die die Kundschaft nicht sonderlich interessierten. Ilse und Herbert lernten schnell. Sie brauchten nicht nur größere Eier, sondern auch eine bedeutend größere Menge davon. Also kauften sie vom Ersparten einen alten VW Bus, fuhren damit zum Eiermarkt nach Cloppenburg und kauften dort 50 Kisten Eier ein. Damals waren die Eier unsortiert und so mussten diese vor dem Weiterverkauf von Hand nach Größe sortiert werden. Eine Aufgabe für die ganze Familie samt Großeltern und eine Menge Arbeit bei einer Stückzahl von rund 18.000 Exemplaren pro Einkauf. So kam es schnell zur nächsten größeren Anschaffung: der Eiersortiermaschine.
Die Eiersortiermaschine
In 7 Sorten klassifiziert – SS, S, A, B, C, D und E – kamen die Eier auf ein Laufband, überquerten ein Lichtband, womit defekte Eier aussortiert werden konnten und fielen nach Gewicht sortiert schließlich in die Eierpaletten. Für das große Gerät war in der kleinen Mansarde, in der die Familie damals wohnte, kein Platz und so wurde die Eiersortiermaschine kurzerhand im Wohnzimmer der Großeltern untergestellt – und blieb dort mehrere Jahre stehen.
Neue Märkte
Damals waren die Markthändler noch ein bunter Haufen. Marktschreier, die neben Obst und Gemüse auch Pferdefleisch und lebende Tiere im Angebot hatten, doch Ilse war eine sehr gute Verkäuferin und setzte sich gegen die ganze Konkurrenz durch. Zum Markt in Kray kam schon nach kurzer Zeit der Steeler Markt hinzu, später noch Überruhr und der damals täglich stattfindende Webermarkt in der Innenstadt. Im erweiterten Sortiment verkauften sie nach 2 Jahren neben den Eiern auch Kartoffeln, Obst und Gemüse.
Familienunternehmen
Von Anfang an war das Geschäft ein Familienunternehmen, in dem auch Oma und Tante mithalfen. Ilses Standorte waren der Webermarkt und Kray, Herbert betreute Steele und Überruhr. Den ganzen Oktober war Herbert mit der Auslieferung der Einkellerungs-Kartoffeln beschäftigt. Da es von November bis ins Frühjahr keine Kartoffeln zu kaufen gab, mussten die Familien im Herbst größere Mengen an Kartoffeln einkellern, um über den Winter zu kommen. Die Auslieferung war Knochenarbeit, da es nur Zentner-Säcke gab. Damals beherrschten Hansa, Grata und Clivia den Kartoffel-Markt, während heute die neueren Sorten wie Annabelle und Linda im Angebot sind.
In Stoßzeiten, wie zum Beispiel Ostern, wurden weitere Familienmitglieder eingeplant. Ilses Schwester Helga, die später ihr eigenes Geschäft gründete, Brüder des Vaters, Schwägerinnen und Patenkinder – alle halfen mit. Barbara, mit dem Geschäft aufgewachsen, hat schon als kleines Mädchen beim Sortieren der Eier geholfen und später samstags nach der Schule ab 11 Uhr mit verkauft. Den Stand auf dem Webermarkt betreute sie samstags nach Schulschluss sehr erfolgreich. Mit dem Marktjob finanzierte sie später auch ihr Studium zur Sozialpädagogin.
Generationenwechsel
Der plötzliche Tod von Herbert Längert in 1985 war ein großer Einschnitt. Barbara Längert und ihr Mann Dieter Tischmann unterstützten seitdem Ilse im Geschäft. Barbara erst nebenberuflich, aber 4 Kinder, ihr Beruf und der Markt waren irgendwann nicht mehr zu stemmen und so gab sie ihren Beruf als Sozialpädagogin 1995 schweren Herzens auf.
Mit Herzblut baute Barbara ihren Marktstand in Kupferdreh auf. Da gar kein Platz übrig war, bot sie Kartoffeln und Eier erst einmal drei Wochen zur Probe an einem wenig attraktiven Standort direkt neben den Müllcontainern an. Sie blieb, baute den Stand immer weiter aus und sicherte sich auch einen weitaus besseren Standort. Nach etlichen Jahren im Angestelltenverhältnis übernahmen Barbara und Dieter 2007 mit viel Hilfe aus der Familie das Geschäft von Ilse und gründeten die Längert/Tischmann GbR.
Modernisierung
Nun Unternehmer modernisierten die Beiden das Geschäft und passten es mit umfangreichen Investitionen den neuen Gegebenheiten an. Sie ersetzten ab 2008 die aufwendig aufzubauenden Stände nach und nach mit ausziehbaren Verkaufswagen von 8 bis 11 Metern Länge.
Die ersten elektrischen Waagen ersetzten bereits ab 2000 die alten Pendelwaagen und damit auch das komplizierte Wiegen mit Gewichtssteinen. Der Spargel-Boom machte die kostspielige Anschaffung von Spargelschälmaschinen notwendig, die ebenso wie der umfangreiche Fuhrpark nun in einer großen Halle gelagert werden.
Kleidete man früher im Winter die Holzklotschen mit Zeitungspapier aus, so sorgen heute Planen und Heizungen auch im Winter für erträgliche Temperaturen im Freien. Mit 14 Märkten in der Woche bei 2 bis 4 Märkten am Tag und 10 Angestellten neben der Familie avancierte die Längert/Tischmann GbR ab 2017 zum Anbieter mit der größten Präsenz auf den Essener Wochenmärkten im Segment Obst und Gemüse.
Die 3. Generation
Dennis und Sven Längert unterstützten bereits in jungen Jahren ihre Eltern und halfen v.a. am Wochenende und in den Schulferien mit. Während Sven schon länger eigene Märkte betreut, war Dennis während seines Studiums und später neben seinem Job als Sozialpädagoge hauptsächlich im Saisongeschäft mit Spargel und Erdbeeren samstags im Einsatz. Beide kennen das Geschäft von der Pike auf und so stand einem weiteren Generationenwechsel nichts im Wege. Zum 1. Januar 2022 haben Dennis und Sven die Geschäfte von Barbara und Dieter übernommen und teilten sich die Märkte in zunächst zwei eigenen Unternehmen auf.
Sven hatte weiterhin Stände in Haarzopf (freitags) und Rüttenscheid (mittwochs und samstags) und seit kurzer Zeit auch in Frohnhausen (donnerstags) im Obst- und Gemüsemarkt Längert.
Dennis betreute mit Angestellten die Märkte Kupferdreh (mittwochs und freitags), Überruhr (dienstags und freitags), Schonnebeck (donnerstags), Burgaltendorf (donnerstags), Frohnhausen (dienstags und samstags) und Steele (Samstag) im Markthandel & Frischeservice Dennis Längert.
Backoffice und Social Media übernahm ab April 2022 seine Frau Kondja. Unterstützt werden die beiden Jungunternehmer noch eine Zeit lang von Dieter und Barbara, die zum Teil im Hintergrund agieren und ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Während Dieter Einkäufe, Auf- und Abbau und Fahrten übernimmt, ist Barbara weiterhin auf den Märkten Kupferdreh (freitags) und Frohnhausen (samstags) aktiv.
Die Obstbrüder
Bereits im Sommer 2022 entstand die Idee einen gemeinsamen Onlineshop unter dem Motto “dein Wochenmarkt für zu Hause” ins Leben zu rufen. Aus diesem Gedanken heraus und im Kontext der gemeinsamen betrieblichen Herkunft und Ziele entschieden sich die Brüder im Laufe des 2. Halbjahrs 2022 ihre Unternehmen aufzulösen und diese (wieder) zu vereinen. So entstanden durch Svens gute Idee die “OBSTBRÜDER”. Mit der Betriebsgründung im November 2022 und dem Zukauf eines neuen LKW und eines Anhängers sowie dem Onlineshop und Lieferservice wurden die ersten Schritte erfolgreich bewältigt … Fortsetzung folgt …
Und die nächste Generation?
Mit den Kindern von Dennis und Kondja, wächst womöglich schon die 4. Generation Markthändler heran. Wer weiß?